Was Geist ist, darüber kann es schon deshalb keine einhellige Meinung geben, weil sich zwei traditionelle philosophische Entwicklungsstränge kontrovers damit beschäftigen. Beide philosophischen und wissenschaftlichen Erklärungsversuche bewegen sich mit dieser Problematik zwischen den weltanschaulichen Eckpunkten. Es wird versucht, den objektiven Geist aus der Natur , oder aus der Gesellschaft oder der menschlichen Subjektivität herzuleiten.
Alle drei Standpunkte sind kaum zu bestreiten. Der objektive Geist, zum Beispiel die Mathematik, wird auch und entscheidend von Menschen erzeugt, gesellschaftlich abgesegnet und gilt zugleich unabhängig von jeder einzelnen Subjektivität als die Struktur aller Naturdinge
Wie kann aus dem individuellen Denken, dem tätigen Selbstbewusstsein des subjektiven Geistes, der objektive Geist entstehen, der für jedes denkende Lebewesen derselbe ist und der der objektiven Welt ist?
Das geht nur dann, wenn der subjektive Geist, der den Menschen kennzeichnet, auf eine spezifische Weise auch in der Welt der Dinge zu finden ist und wenn dennoch zugleich beides systematisch unterscheidbar ist. Diesen beiden unterschiedlichen Bedingungen kann der Prozess, den ich als „Entwicklung“ bezeichne ,genügen.
Der subjektive Geist kann seine Objektivation in den Wissenschaften, der Mathematik, der Logik und auch der Philosophie – zum Beispiel in der Hegelschen – entfalten und darstellen, weil diesen Bereichen eine gemeinsame systematische Entwicklung zugeschrieben werden kann.
Der Übergang von der subjektiven Selbst- und Welterkenntnis zum objektiv begreifbaren und intersubjektiv darstellbaren Geist ist ein Abschnitt der allgemeinen Entwicklung. Es ist jene Phase der allgemeinen Entwicklung, die als Abstraktionsverfahren bezeichnet wird.
Was geschieht da ? Die menschlichen, subjektiven Eigenschaften wie die Emotionalität oder die Fähigkeit zur Willensbildung treten immer mehr in den Hintergrund, und die typischen Erscheinungen des objektiven Geistes, wie die Trennung der Begriffe voneinander, ihre Paarbildung in Gegensätzen, der Verlust der Inhaltlichkeit etc. verstärken sich.. Brachte die Freiheit von der biologischen und auch der emotionalen Seite für die Begriffsbildung des menschlichen Subjekts noch eine unbegrenzte Vielfalt geistiger Produkte und Begriffe hervor, so besteht die „Objektivität“des objektiven Geistes darin, dass dieser Variantenreichtum auf wenige Begriffe zurückgeführt wird.
So führt dieser Entwicklungsweg seit der platonischen und aristotelischen Lehre über die abstrakten „Kategorien“ zu den allgemeinsten Klassifikationsbegriffen und zu den „Universalien“. Unter anderem hat die Suche nach „ersten Elementen“ in der physikalischen Natur und ihre Verbegrifflichung dazu geführt, neue „universale“ Begriffe zu konstatieren.
Die Frage, in welcher Weise sich diese neuen Universalien in ihrer allgemeinsten Art auf die speziellen Gegenstände der Erfahrung beziehen, wird ergänzt von den Fragen, wie sie sich auf „Erste Physik“ beziehen lassen und wie derart allgemeine Begriffe – umgekehrt – aus „Erster Physik“ und aus allen weniger abstrakten Begriffen entstehen können. Mit der Beantwortung dieser neuen Probleme gewinnt das Projekt „Universalien“, das heißt hier, das Projekt einer möglichen Erweiterung des „objektiven Geistes“ neben seiner „idealistischen“, rein begrifflichen Dimension auch eine „materialistische“.
Philosophische Reflexion ist prinzipiell auf einen Bereich von Begriffen bezogen, die in irgend einer Form Globaldeutungen von Welt und Mensch und damit von Wirklichkeit im Ganzen einschließen. Durch die allgemeinen Begriffe soll das faktisch Seiende sowohl in seiner „Grundbestimmung“ erfasst wie seine „Sinnbedeutung“ bestimmt werden. Diese beiden Seiten, die beispielsweise als das „Sein“ ( E ) und das „Sollen“ ( I ) bezeichnet werden können, haben als „objektiver Geist“ Strukturzüge, die ihn von der Subjektivität und der Natur relativ unabhängig machen.
Grundideen dieser Art treten in allen Philosophien auf. Ihre Zweiheit – I und E – fungiert dabei aus ihrer Polarität und Gegensätzlichkeit zueinander als das jeder Philosophie eigene kritische Potential und zugleich als Zusammenfassung und Vollendung dessen, was als Philosophie gilt.
Schon früh, vor allem auch in den philosophischen Frühformen der Religion, kann im Gottesgedanken die E-Kategorie in ihrer abstraktesten Ausbildung als Zentrum des objektiven Geistes gesehen werden. Dazu kam sehr bald die Erkenntnis der „Ambivalenz“ des abstraktesten Geistbegriffes – zum Beispiel als „Gutes“ und “Böses“. Damit ist neben der E-Grundidee auch die der I-Bewertung in den Bereich des objektiven Geistes eingeführt, und es wird bereits N-G in der dualen Kategorialität angedeutet.
Der heutige objektive Geist-Bereich umfasst tatsächlich einiges mehr als nur diese drei geistesgeschichtlichen Frühformen von E und I und N-G, beispielsweise die „Dialektik“ oder die Varianten der Unendlichkeit.
Welche Bedeutung hat der objektive Geist für die Wissenschaften und ihre Theorien? Wissenschaftliches Erkennen ist ein auf das Allgemeine und das Notwendige an den Gegenständen abzielendes Urteilen. Erkenntnis nutzt dabei unausweichlich oberste Begriffe als Bedingung der Möglichkeit allgemeiner, theoretischer Aussagen.
Es stellt sich hier die Frage, ob diese obersten Begriffe einen Bereich für sich bilden oder ob sie in dem, was Erfahrung genannt wird immer schon stecken. Im tätigen Fichteschen Ich werden die allgemeinsten Begriffe mit dem Mannigfaltigen zusammen gedacht Sie verbergen sich dann also in der Subjektivität. Deren Handlungen setzen und bestimmen das, was objektiver Geist ist. Hegel sieht das genauer. Das Subjekt ist zwar auch der Vermittler zwischen allgemeinem Geist und seinen Besonderungen in der Dingwelt, vor allem aber ist es die Aufgabe des Subjektes, den Bereich des absoluten Geistes von den Bereichen der Natur und der Subjektivität zu trennen.
Das sollte noch genauer formuliert werden. In der allgemeinen Entwicklung gibt es zwei Hauptabläufe, nämlich die vereinigende Vermittlung und die Dynamik der zunehmenden Trennung der vier Eckpunkte. Anschließend an die Entwicklungsphase der „Subjektivität“ erreichen diese beiden Abläufe, dass durch ihr Zusammenspiel der objektive Geist erzeugt wird. Das geschieht durch die Weiterentwicklung der in der Natur – hier vor allem in der Natur des menschlichen Gehirnorgans – vorhandenen Strukturen, die formal in dieser zweifachen Weise erfassbar sind als radikale Trennung dessen, was objektiver Geist ist und zugleich verbindend als Beibehaltung von Strukturmerkmalen, die allen Eckpunkten, Phasen gemeinsam sind; so zum Beispiel die Grundideen E, I, N, G .
Schelling deutet es an, die Strukturen des allgemeinen Geistes sind seiner Meinung nach in der Natur in bestimmbarer Weise vorfindbar. Der objektive Geist ist sowohl von der „Objektivität“ seiner Herkunft aus der „Natur“ bestimmt wie durch die sich im Laufe der Entwicklung bildenden Freiheitsgrade. Es setzt sich also die „Objektivität“ der Natur im „objektiven“ Geist wieder durch..
Beide garantieren sich also ihre „Objektivität“ gegenseitig. Wichtiger aber ist, dass „Natur“ und objektiver Geist sowohl gleiche Strukturen haben, wie es andererseits eines „Sprunges“ bedarf, von einem zum anderen zu gelangen. Diese Aufgabe des Sprunges, des unendlichen Überganges von Natur zum objektiven Geist hat die Subjektivität zu leisten.
Das Subjekt leistet diese Arbeit auf doppelte Weise. Sie kann hegelisch beschrieben werden, als reine Begriffsarbeit, sie muss aber auch materialistisch-wissenschaftlicher Klärung zugänglich sein.
Die idealistische Erarbeitung des objektiven Geistes aus der Natur durch Schelling und aus der menschlichen Subjektivität durch Hegel setzt die Existenz und die Prävalenz der abstrakten geistigen Strukturen – also den „objektiven Geist“ – immer schon voraus, wenn sie zeigt, wie das Konkrete vom „in sich selbst bestimmten Allgemeinen“ als Besonderes zu verstehen sei. Dennoch kann das der Klärung des Überganges von subjektivem zum objektiven Geist dienen, wenn man den akribischen Schritten Hegels folgt, diese jedoch zusätzlich wissenschaftlich interpretiert und „inhaltlich“ füllt. Wozu ich die zeitgenössischen Erkenntnisse solcher Einzelwissenschaften wie der Quantenphysik, der Gehirnphysiologie und der Psychologie philosophisch interpretieren und integrieren werde.
Es gibt in der Philosophiegeschichte zur idealistischen Metaphysik Hegels zwei konfrontierende Gegenstrategien. Es ist das der Einwand von der wissenschaftlichen Seite, dass die abstrakten Begriffe und Methoden „bloße Regeln des Denkens“ seien, die hinter der Erfahrung des Empirischen und dem konkreten Besonderen zurück zu stehen haben. Dieser eher oberflächlichen Ansicht steht entgegen, dass alle Wissenschaften an der Errichtung der überzeugenden Konstruktionen aus logischen und mathematischen Kategorien sich zu beteiligen, von der Sache selbst geradezu gezwungen werden.
Der andere Widerspruch ist ernster zu nehmen. Er stützt sich auf das, was Hegel den „Objektiven Geist“ (Hegel) nennt, das geistesgemeinschaftliche Eigentum, die Güter der Kultur, die Religion und Ähnliches, welches von ihrem individuellen Schöpfer wirkungsgeschichtlich in das kollektive Bewusstsein übergegangen ist. Der Einwand gegen Hegel ist, dieses Herkommen vom kreativen menschlichen Individuum verbiete es, von der „Objektivität“ dieser Geistesprodukte zu sprechen. Diese Bedenken träfen auch das, dem wir objektiven Charakter zusprechen, wie die Mathematik und die Logik.
Hier setzt unsere Erweiterung dessen ein, was die abstrahierenden Wissenschaften, die Sprachen und philosophische Entwürfe zum objektiven Geist zählen. Nicht nur die E, N und G , sondern auch die I-Kategorie und die I/E-Relation, sowie die detailliert darzustellende E-Sphäre und I-Sphäre gehören ebenso zum objektiven Geist. Mit ihrer Hilfe wird der Eckpunkt „objektiver Geist“ zentral für eine umfassende philosophische Systematik.