Kunst ist mehr noch als „Kultur“ es schon ist, eine Betonung und Befreiung der I-Seite in dem und aus dem I/E-Verhältnis.
Bereits Hegel erkannte, dass es sich bei der Ästhetik und den anderen Wissenschaften lediglich um zwei verschiedene „Stufen“ der Erkenntnis handelt. Der Unterschied zwischen Kunst und den Objekten und Methoden der traditionellen Wissenschaftsbereiche liegt in der Betonung der E-Seite sowie der N-G-Methoden durch die empirischen und positivistischen Wissenschaften, gegenüber der Betonung der I-Seite bei den Künsten. Der Erkenntnismodus der traditionellen Wissenschaften ist die Betonung von E und G . Jedoch die modernen Wissenschaften lassen sich dadurch charakterisieren, dass sie die N/G-Methoden nutzen und die I -Seite berücksichtigen. Somit verkleinert sich der Unterschied zwischen Wissenschaft und Ästhetik in für unsere philosophische Systematik signifikanter Weise.
Es wäre aber ein Missverständnis, wenn die Bedeutung der zusätzlich erfolgenden „Schwerpunktbildung“ innerhalb des wissenschaftstheoretischen Feldes unterschätzt würde. Die Nähe der Ästhetik zu Bereichen wie beispielsweise dem der Psychologie, der menschlichen Affektivität – N/G und I/E – ist größer als zu solchen Bereichen, wie zum Beispiel dem der mathematischen Formung der Realität – E und G .
Die Betonung der I-Seite drückt sich beispielsweise darin aus, dass in der ästhetischen Praxis und in der Theorie zwei wesentliche Strukturaspekte der I:Sphäre hervorgehoben werden, die Ii in ihrer prinzipiell alleinigen Fähigkeit zur Kreativität und die formale I-Funktion der freien Vorausschau, der Vorwegnahme möglicher Zukunft. Absolute und ewig gültige Normen der Kunst kann es deshalb nicht geben, weil „Gültigkeit“ „Unveränderlichkeit“ philosophische Kategorien aus der E-Sphäre sind, die in der I-Sphäre nicht allzuviel zu suchen haben.
So wie es objektive – zum Beispiel physikalische – Gesetze gibt, die unabhängig vom Willen des einzelnen wirken, und wie der Mensch einen spezifischen Erkenntnismodus ( G, E ) zur Feststellung der „Wahrheit“ mobilisieren kann, so hat auch jeder Mensch ein historisch gewordenes utilitäres und ästhetisches Verhältnis zur Welt, unabhängig davon, ob diese I-Seite als ein bewusstes subjektives Affekt-Engagement oder gar in Gestalt von ihm erzeugten Kunstwerken manifest wird.
In der Weise schafft es der Mensch, nicht nur sich seiner und der Vergangenheit seiner Gattung, sowie seiner Gegenwart zu vergewissern. Er kann durch die aktive Erzeugung der I seine zukünftige subjektive und gesellschaftliche Verwirklichung in der Wirkungsweise der Kunst vorwegnehmen und sogar im Spiegel dieser Ziele und Hoffnungen die Gegenwart interpretieren.
So wie die E-Seite mit den Methoden des N-G-Typs verbunden ist, wird die I-Seite von N/G-Methoden erzeugt: Die künstlerische Aktivität wie auch die Wirkung der Kunstwerke ist eine aktive dialektische Auseinandersetzung widerstreitender Prozesse. Eindeutigkeiten und Bestätigungen – also G-Varianten – sind eher am Rande liegende Ausnahmen. Kunst wirkt zwar auch direkt und „positiv“, aber nur dann, wenn die Ziele der Kunst festliegen, vorgegeben sind und gefestigt werden sollen. Wegen des philosophisch grundsätzlich möglichen Überganges von N/G zu N-G wird der alte Streit darüber, ob Kunst auch „bloße Kopie“ des Bestehenden sein kann oder allein an der schöpferischen Ermittlung der Zukunft mitwirkt, leicht beigelegt. Der ästhetische Bereich ist bevorzugt derjenige, der in sinnlich fassbarer Weise beides artikuliert: Das was bereits besteht und das was noch nicht Wirklichkeit ist.
Daher kann man ein „Wahrheitskriterium“ für Kunst darin sehen, dass sich die Bestehendes identifizierende G-Methodik und die Neues erzeugenden N/G-Methoden wechselweise aufeinander beziehen. Während es in den herkömmlichen Wissenschaften darum geht, Methoden zu nutzen, die durch Identifikation – empirische oder logische – die Gegenstände geistig aneignen lassen, bestimmen N/G-Methoden die ästhetische Aneignung. Diese sind, neben der identifikatorischen Abbildung, als ein Prozess der Schöpfung zu interpretieren. Wie in allen anderen „Bereichen“ sind auch in der Praxis und Theorie, die sich mit der Kunst befassen, grundsätzlich alle Methoden und damit die zwei Hauptarten philosophischer Methodologie, „N-G“ und „N/G“, zu finden.
Aus N-G entsteht E , aus N/G entsteht I , so dass sich der Übergang zur Beurteilung des Ästhetischen auch auf inhaltliche Weise, das heißt auf Basis der I , E und I/E anschließen lässt. Das Eigenartige der Kunstbereiche ist einerseits, dass sich in ihrer philosophischen Analyse alle diese Basisstrukturen vereint zeigen, dass aber zugleich – und vielleicht eben deswegen – dem Ästhetischen verhältnismäßig geringe funktionelle Notwendigkeiten im Gesamt der historischen Erscheinungen zukommen.
Die Ursache für diesen unsymmetrischen Zustand liegt in der historischen Entwicklung der E und I .Die wissenschaftliche, technologische, ökonomische Entwicklung ist die der E-Seite. Es geht dabei um die Produktion von Wissen und Gütern, deren Ziel zum großen Teil wiederum die Erstellung von Gütern und weiterem Wissen ist. Eine systematische Erweiterung der Zielsetzungen ( I ) kann dabei nur mit Rücksicht auf die E-Seite erfolgen. In der Erzeugung von Kunstwerken stünde aber die I-Funktion, gegen alle tatsächliche Einflussnahme von den E-Bereichen , an erster Stelle. Hierher gehört auch der Gedanke, dass es die Aufgabe der Kunst ist, parallel zu den Vermehrungen der E, die I in quantitativer und qualitativer Weise zu fördern, um das vorzubereiten, was als „utopische“ unendliche I-Sphäre gelten kann. Das bedeutet, mit der sich erweiternden E-Sphäre und mit deren zukünftig wahrscheinlichen Begrenzungen ist ein historischer Trend zur Erweiterung der I-Sphäre vereinbar Die Anzahl der I- Funktionen, die sich verwirklichen lassen, ist dann unbegrenzt, wenn die dafür notwendigen E-Strukturen als sich selbst und also auch I/E erhaltende Größen ausreichend zur Verfügung stehen.
In jenen Fällen, in denen die Ziele und die „Zukunft“ erst individuell und kollektiv zu finden und zu erarbeiten sind, sind die N/G-Methoden in den Abläufen unumgänglich. Die N/G -Methodik ist in einer abstrakten Variante jene „Möglichkeit“ der Kunst, die Aristoteles meint, wenn er die Kunst gegen das positive Geschehen, das zum Beispiel die Geschichtsschreibung wiedergibt, abgrenzt. Wenn man sich von der Methode der Beschreibung dessen was ist oder was war löst, also bei den G-Methoden nicht stehenbleibt, dann werden die Methoden der künstlerischen Produktion und Rezeption offen für Phantasie und Freiheit in jeglicher Gestaltung. Eben das aber ist eine Grundeigenschaft der N/G-Methodik.
Wenn man die Entstehung künstlerischer Werke und ihre Wirkungen mit den geistigen Lebensprozessen einer historischen Epoche verknüpft, dann geht es in erster Linie bei diesen individuellen und gesellschaftlichen Bewusstseinsinhalten um deren I-Seite. Die gesellschaftliche Bedeutung der Kunst besteht dann darin, dass die Kunst die Funktion hat, individuelle ( Ii ), kollektive ( Ik ) und gesellschaftliche Zielsetzungen ( Ig ). vorwegzunehmen, zumindest diese anzudeuten. Die künstlerischen Prozesse sind ihrem Wesen nach ein Element des gesellschaftlichen Lebens, mit dessen Hilfe der Mensch sich in sinnlich fassbaren Bildern die Alternativmöglichkeiten seiner Selbstverwirklichung vergegenwärtigt.
Dies Hinausgreifen über das Gegenwärtige kann ein entsprechendes Zukunftsbewusstsein voraussetzen, es geschieht aber zumeist auf spontanem Weg. Derartige Spontaneitäten manifestieren Bewertungen in psychischen, sozialen, ethischen Bereichen des individuellen und des kollektiven Lebensprozesses des Künstlers und des Betrachters.
Die Erkenntnis, dass die die Kunst begründende ästhetische Wertaxiomatik eng mit den individuellen und kollektiven Zielsetzungen und Interessen verbunden ist, war in Theorien zuvor bereits vertreten worden. Jedoch fehlte in diesen Beschreibungen noch eine systematische Verbindung zu Strukturen der I – und der E-Sphäre. Es waren lediglich umschreibende Reden von Formierungen nach dem „inhärenten Maß der Dinge“ und dem organisierten und bewussten Gattungsleben des Menschen. Die in ihm wirksamen persönlichen Beziehungen seien ständige „Entscheidungen und Parteinahmen“, die den eigentlichen „Gegenstand der Kunst“ bilden würden.
Mit der Hervorhebung der Kunst als eine Weise der Hervorhebung der individuellen und kollektiven Wünsche, Zielsetzungen und Interessen tritt diese damit in Konkurrenz zu „Politik“ und ähnlichen Bereichen, vor allem auch zu dem der Ethik. Die Abgrenzung zwischen dem ästhetischen und dem ethischen Wert eines Kunstwerkes ist seit jeher umstritten. Das Problem betrifft die Struktur der I-Sphäre; eine Abgrenzung zwischen den I ist vom Prinzip her nicht möglich. Aber in der gesellschaftlichen Praxis geht es konkret um unterscheidbare I- Inhalte und um deren unterschiedlichen E- Rahmen, das heißt um I/E-Bestimmungen. Die I/E-Relationen haben aber von der E-Sphäre her die Eigenschaft der Abgrenzung.
In der ästhetischen Aktivität des Menschen nimmt die Erzeugung der I-Funktionen einen wesentlichen Platz in der Gestaltung seines Lebens und der Beziehungen zur Welt ein. Wenn man sagt, dass der Mensch in der ästhetischen Tätigkeit der Gegenstandsseite das dem Menschen inhärente Maß anlegt, dann ist das jedoch wenig verständlich. Ästhetik sei die Theorie der Verwirklichung der menschlichen Wesenskräfte, der Gattungsnatur durch Wechselwirkung mit den Gegenständen der objektiven Realität. Was aber sind die „Wesenskräfte“ und die „Gattungsnatur“? In einem formalen Sinne lässt sich die menschliche Fähigkeit zur Freiheit der Zielsetzung womöglich so benennen und verstehen. Die Einteilung in Ii und Ig trägt dann zur inhaltlichen Erläuterung dieser abstrakten I-Funktion bei. Indem der Mensch sein Verhältnis zur Natur und zu sich selbst reflektiert und seinem eigenen Wollen unterwerfen kann, sind die Künste ein Teil der Möglichkeiten, mit denen er als Einzelner und als kollektives historisches Subjekt seine Lebensziele und Zukunftsaussichten vorwegnimmt.
Diese I beziehen sich in der Kunst auf bestimmte Teile der gegebenen physikalischen, physiologischen und kulturellen Wirklichkeit ( E ). Die Differenzierung der Künste in Musik, Film, Malerei, Tanz, Skulptur, Literatur etc. ist die Folge.
In den künstlerischen Produktionsvorgängen und Werken erscheinen vordergründig die zu bearbeitenden Rohmaterialien und ein gewisser Entwicklungsstand der Werkzeuge. Diese E-Seite tritt dann in eine komplizierte Relation mit Hoffnungen, Wünschen, Sehnsüchten, Ahnungen und Willensimpulsen ( I ) der Künstler und der Rezipienten der Werke.
In der historischen Entwicklung der Kunst wird die befreiende Trennung der I-Seite von der E-Seite deutlich. Waren die I zuvor an kultische Funktionen gebunden und damit an vorgegebene Ideen und deren Organisation ( E ), so nimmt ihre Autonomie im Trennungsvorgang der Entwicklungsmechanik laufend zu. Waren diese ursprünglichen künstlerischen Aktivitäten allgemeines Vermögen der Gruppenmitglieder und allgemeiner Bestandteil des gesellschaftlichen und individuellen Lebensprozesses, so bewirkt der Entwicklungsprozess, als einer der umfassenden Trennungen, die gesellschaftliche Arbeitsteilung und somit die künstlerischen Spezialisierungen. Für die Vollendung der künstlerischen Leistungen wird die relative Verselbstständigung einzelner Bereiche künstlerischer Aktivität wichtig. Solche Formen der Trennung der E voneinander und der I von den E-Seiten haben nicht nur deren abstrakte Befreiung zur Folge. Vielmehr wird die Bahn frei für die Entwicklung aller E-Möglichkeiten und aller I-Entfaltungen.
Trotz dieser Trennungstendenzen kann daraus nicht gefolgert werden, dass Kunst von den Bedingungen des materiellen Lebensprozesses der Gesellschaft und des Künstlers entbunden sei. Sowohl die E-Seite wie die I- Zusammenhänge verhindern das in prinzipieller Weise. Aber der ästhetische Bereich ist unter den vielen Bereichen und Wissenschaften jener, in dem die Tendenz zur vollständigen Befreiung der I gleichberechtigt mit der Bindung der I an die E und an andere I ist.
In der Geschichte zur Theorie der Künste spürten die Philosophen von Platon bis Hegel, dass die Philosophie sich primär mit den abstrakten E zu beschäftigen hat. Da der Gegenstand der Erkenntnis in der Ästhetik aber zuvörders die I/E-Relation ist, galt dies Wissen als abgeleitete, geringerwertige Form der Wahrheit.
Genauer gesagt, in der Geschichte der philosophischen Erforschung der Ästhetik wechseln sich die Standpunkte ab. Die alexandrinische Schule im Hellenismus hebt den funktionellen Zusammenhang zwischen dem materiellen Medium der Sprachform ( E ) und dem künstlerischen Gehalt, dessen Wertkriterium „Tugenden“ sind ( I ), hervor. Diese relative I/E-Bindung löst sich in römisch-imperialer Zeit auf; die individuellen und gruppenspezifischen Zielsetzungen ( Ii , Ik ) gewinnen an Bedeutung, was als „bloße Orginalitätssucht“ von der vorhergehenden historischen Sicht kritisiert wird. Die mittelalterlichen scholastischen Theorien der Künste reduzieren nun wiederum die gesamte ästhetische Wertordnung auf die göttliche Offenbarung. Das Göttliche aber und damit Kunst kann nicht sinnlicher Natur sein, sondern „Ordnung und Proportion“ wie Augustinus meint. Kunstwerke – wie zum Beispiel die gotischen Kathedralen – sind Realisationen von Zahlenverhältnissen als Ausdruck des Universell-Transzendenten.
Nach diesen theoretischen Aussagen ( E und G ) der Scholastik zur Kunst setzt die beginnende europäische Aufklärung wieder auf I/E- Relationen als Basis von ästhetischen Erscheinungen. Der Quell des Schönen wird zunächst noch verklausuliert als „menschliche Gattungsnatur“. Ursprung, Wesen und Funktion der künstlerischen Aktivität beruhe – nach Dante – auf der sinnlichen Schönheit der Sprache und dem Vernunftgehalt der Poesie, sowie beider intensiven harmonischen Beziehung.
Bald werden die Fronten deutlicher: Die Natur gilt von Leonardo bis Diderot und noch beim jungen Goethe als das Primäre, als der Quell der künstlerischen Inspiration. Es ist weniger die unmittelbare materielle Natur, die gemeint ist, als die Hervorhebung der gegebenen Wirklichkeit ( E ) als Bruch mit den mittelalterlichen Ansichten. Zum Teil parallel mit diesem theoretischen Trend zum Naturalismus entwickelt sich im Prozess der „Vermenschlichung des Menschen“ die philosophisch-ästhetische Reflexion um die Erarbeitung der I-Seite. Aut prodesse aut delectare war der abstrakte Streit zur Funktion der Kunst. „Nutzen“ und „Genießen“ sind beides Varianten der I-Seite. Und die I-Funktion der Künste zeigte bald, es geht um eine prinzipielle und ständige Ausweitung der Ziele. Das dynamische Wesen der Kunst wird durch die I-Funktion erreicht. Für Montesquieu, Voltaire, Rousseau ist die künstlerische Aktivität die Parteinahme für die Zukunft, ein Teil des Kampfes um die Erreichung von Zielen wie das der „menschlichen Würde“, der Freiheit und der Gleichheit. Es hatte sich jetzt zwar die E-Seite von der I-Seite getrennt, aber die Trennung beider ist nur ein Aspekt des ästhetischen Phänomens.
Sowohl die genannten geselschaftlichen, allgemeinmenschlichen Ziele wie „Freiheit“ oder „Gleichheit“ hatten den Charakter von E-Größen angenommen, als ontologische und metaphysisch vorgegebene Ziele der Menschheit. Und auch der Kunst und ihrer Wertbestimmung wurden in dieser historischen Entwicklungszeit absolute Regeln und objektive Gesetze zugeschrieben. Der absolute Geltungsanspruch derartiger Strukturen verhängte den Blick darauf, dass Kunst sich immer im I/E-Verhältnis dieser zwei unendlich dynamischen wechselbezogenen Größen ausdrückt.
Die französische Aufklärung hat recht, wenn sie meint, dass objektive Gesetze das ästhetische Geschehen beherrschen und dass zugleich der künstlerischen Produktion eine ethische Zielsetzung innewohnt. Um aber diese Erkenntnisse zu verallgemeinern und sie widerspruchsfrei zu gestalten, sollte man sie als I/E-Relation sehen. Dies spezielle ästhetische I/E-Verhältnis ist dann in einem größeren gesellschaftlichen, ökonomisch-technologischen Zusammenhang einzuordnen.
Bevor das geistesgeschichtlich möglich wurde, erweiterte die deutsche Klassik die eng konstruierten und ontologisch begrenzten teleologischen Vorstellungen des französischen Klassizismus. Herder erkennt, dass die Künste den historischen Entwicklungen unterliegen, an denen alle Völker mit ihren Wertkriterien beteiligt sind. Es geht immer noch um die „Wesensbestimmung des Menschen“, deren höchste Erscheinungsform die Kunst sei. Bei deren Erzeugung unterscheidet Goethe die „Wirklichkeit“als Grundlage, bei der die Kunst die höchsten Momente fixiert , „indem sie das Gesetzliche darin anerkennt“, also E. Aber die Kunst bleibe bei der bloßen „Nachahmung“, beim Bestehenden nicht stehen, sondern greife durch „Antizipation“ durch „Vorempfindung der Welt“ über das Gegenwärtige hinaus. Und Schiller bemüht sich vornehmlich, die objektiven Gesetze ( E ) der Kunst zu gewinnen. Es trete im Ästhetischen das „freie Spiel der schöpferischen Kräfte“ an die Stelle der „bloßen Notwendigkeiten“
Die Diskussionen über die Axiomatik von Kunsttheorie dreht sich also zunehmend um das vermittelnde Verhältnis der wichtigsten Funktion von I , der Ermittlung und Erzeugung des Zukünftigen, mit den Strukturen der Notwendigkeit ( E ).
Hegels Theorie der Künste verallgemeinert in dieser Dualität die E-Seite in tiefgreifender Weise. Die I-Seite wird vorerst an den Rand geschoben. Damit eröffnet er mit Hilfe der Philosophie wichtige Perspektiven für weite wissenschaftliche Bereiche, die nicht auf die I-Funktionen angewiesen sind. Jene Bereiche und Wissenschaften, wie die der Politik oder hier der Ästhetik werden durch die erkenntnistheoretische Vernachlässigung der I-Seite aus der prinzipiellen Gleichberechtigung mit den E -Entwicklungsphasen freilich ausgeschlossen. Da die Kunst dem „sinnlichen Scheinen“ verhaftet sei, stellt sie für Hegel eine niedere Form der Erkenntnis dar. Die sich selbst darstellende und vermittelnde absolute Idee, die nach ihrer Entäußerung in der Realität zu sich selbst kommt, vollendet den Begriff von „E“. Die historische Kunstentwicklung erklärt Hegel zwar aus dem Widerspruch zwischen sinnlichem Scheinen und sich selbst bewegender Idee ( E ), aber den „Wertmaßstab der Schönheit“ leitet er aus der „Selbstbewegung des Begriffs an sich“ ab.
Werden die in der „Sinnlichkeit“ verklausulierten I-Varianten als individuelle oder gesellschaftliche Interessen, Wünsche, Leidenschaften, Zielsetzungen, die in der deutschen ästhetischen Klassik noch sehr gegenwärtig sind, durch die hegelsche Arbeit an der E-Sphäre erst einmal zurückgestellt, so werden sie mit dem Fortschreiten der Einzelwissenschaften umso wichtiger.
War in der deutschen Klassik die systematische I-Seite der Kunst verborgen in der „Vergegenständlichung menschlichen Wesens“, der „Vermenschlichung der Welt“, so gestehen sich die Neueren deutlicher ein, eine allgemeine ästhetische Wertaxiomatik kommt ohne die I-Seite als Mittel der Gesellschaft, sich ihre eigenen Zukunftsmöglichkeiten zu vergegenwärtigen, ebenso wenig aus, wie ohne die individuell-menschlichen I- Varianten.
Aber ein größeres geschlossenes System der Kunsttheorie, das die I-Seite in abstrakter Weise berücksichtigen würde, anders als das bereits die deutsche literarische und philosophische Klassik tat, ist nicht zu sehen. Es begann dann in der folgenden historischen Entwicklungsphase und im Auf und Ab der Betonung von E und I wiederum die philosophische Ausarbeitung der E-Seite und der zu ihr gehörenden N-G-Methodik
Es gewannen die positivistisch und empirisch und logisch ausgerichtet arbeitenden Wissenschaften und Bereiche an weiterem Profil, an Vertiefung und an philosophischer Wichtigkeit. Bis in die Gegenwart hat das Auswirkungen für die ästhetische Praxis ebenso wie für kunsttheoretische Hypothesen und Aussagen. Das betrifft die methodologische wie die inhaltliche Dimension der Analyse der jüngeren Entwicklungen im Kunstbetrieb.
Und es scheint eine weitere Entwicklungsphase darin zu bestehen, dass die verschiedenen Methoden-Arten, als die Erarbeitung der Strukturen – E wird durch G-Methoden geschaffen – und der Funktionen und Inhalte – die I und I/E werden durch N/G-Methoden erreicht – immer weniger auseinanderzuhalten sind.
In der theoretischen Analyse der Künste setzt mit Nietzsches dualer Stiltypologie eine Betonung der N-G -Methoden und eine mit dieser N-G-Dualisierung verbundene Betonung von Identifikationen ( E ) ein. Der Dualismus „dionysisch“ und „apollinisch“ zum Beispiel beruht auf einem relativ abstrakten psychologischen Antagonismus. Hier und bei den bald zahlreich folgenden typisierenden Gegensatzpaaren erscheint die reduzierende Erklärung von Kunst relativ willkürlich in anderen wissenschaftlichen Bereichen verankert zu werden.
Die Dualismen sind zum Beispiel „von geschlossener und offener Form“, „linear und malerisch“, „Bewusstes und Unbewusstes“, „wissenschaftlich und musisch“. Solche Versuche zur Erklärung der Strukturen des Ästhetischen sind eher abstrakte Schemata. Während die Dualismen „apollinisch und faustisch“, „plastisch und musikalisch“, „pädagogisch und prophetisch“ eher solche sind, die auf andere wissenschaftliche Bereiche verweisen. Bedenklich wäre es, wenn bei solchen in die Verantwortung anderer Wissenschaften abgegebenen Erklärungsversuche dessen was Kunst sei, sich die N-G, E-Seite allein durchsetzte.
Die verschobenen Inhalte enthalten dann aber doch auch die I- und I/E-Konstrukte der jeweiligen wissenschaftlichen Bereiche. Zum Beispiel kommt der Verweis auf tiefenpsychologische Ursachen, die in wechselnden Modifikationen die künstlerische Vorstellungswelt prägen, ebenso wenig ohne triebbedingte I-Funktionen aus, wie etwa Nietzsches und anderer Betonung des Instinkthaften als künstlerischer Potenz.
Zugleich mit der Betonung der identifikatorischen Zusammenhänge – deren Extrem der L´art-pour-l árt-Standpunkt ist – erweitern die ästhetischen Strömungen ihre Inhaltlichkeit ständig. Dahinter steht die philosophische Funktion der I-Sphäre, die die I in unbegrenzter Anzahl erzeugen lässt und alle Inhalte ( I/E ) als gleichberechtigt ansieht. Über die I/E-Strukturiertheit der Emotionalität – die Weite der Affektbereiche ist unbestritten – finden dann auch in konsequenter Weise solche Inhalte wie das „Angstmachende“, das „Häßliche“, „Extranormale“ gleichberechtigte Aufnahme in die Kunstwerke.
Mit der wachsenden Auftrennung in die beiden Seiten, werden die Erscheinungen auf der I-Seite und zugleich die der E-Seite zahlreicher, wichtiger und stärker. Mit der Notwendigkeit rationaler Beherrschung der Wirklichkeit ( E ) in Wissenschaft, Technik und Alltag tritt die von den I bestimmte Kunst ebenfalls in den Vordergrund, da die menschlichen Gefühle dabei erweitert werden. Als beides vereinend ( I/E ), wird Technik und Wissenschaft zunehmend ästhetischen wie auch ethischen Maßstäben unterstellt, wie man andererseits das Wesen ästhetischer Werke mit wissenschaftlichen, Maßstäben und aus vorgegebenen Strukturen und Typologien des Denkens und der Vorstellung herzuleiten sucht.
Was ist in der Kunst unter Inhalt, was unter Form zu verstehen? Welcher Art sind die Beziehungen zwischen Inhalt und Form? Um das zu beantworten, muss man zunächst sehen, dass das I/E-Modell durch die „allgemeine Entwicklung“ auf zwei Ebenen interessant wird. Auf der weniger entwickelten stehen sich E als das materielle Medium des Kunstwerkes und die E als sinnliche Vorstellungen und abstrakte Phantasiegebilde des Künstlers gegenüber und in Beziehung zueinander. Diese Vorstellungen können nun – auf einer höheren philosophischen Entwicklungsebene – ihrerseits als E- und zusätzlich als I – Figurationen identifiziert werden. Zur E-Seite wird man zum Beispiel jenes zählen, das abstraktes Denkprodukt ist. In der Modellierung von Ästhetischem als I/E ist dann die Betonung der E-Seite dem „formalen“ Aspekt des Kunstwerkes zuzuschreiben, während die Wechselwirkung zwischen I und E das ist, was als „Inhaltlichkeit“ gilt. Derartige Überlegungen und Analysen stützen sich auf die Vorannahmen, nach denen das I/E-Modell in sich die beschriebenen Dynamiken hat und dass es in der allgemeinen Entwicklung verankert ist
Diese „Dynamik“ selber wird gleichfalls modelliert, als N/G . Sie steht in Beziehung zur N -G-Relation. Wenn jetzt gefragt wird, welche Bedeutung die Wahrheitsrelation für die Kunst hat, was künstlerische Wahrheit sei, dann kann das mit Hilfe der beiden methodischen Haupt-Modelle beantwortet werden: Im ästhetischen Bereich gilt nicht nur der traditionelle Wahrheitsbegriff der Identität in seinem Gegensatz zur Nichtidentität, also „N-G“, sondern zusätzlich dessen Beziehung zum „hermeneutischen Wahrheitsbegriff“ N/G . So kann man Unterschiede zwischen ästhetischen und empirischen, konstruktivistischen, klassisch-logischen Bereichen erarbeiten, in denen allein N-G-Methodik und E – I- Inhaltlichkeit Verwendung findet; in denen also diese strikten Trennungen die Basis der Erkenntnis bilden.
Dabei ist die modellhafte Darstellung N/G eine Zusammenfassung aller denkbaren konkreten Abläufe und methodischen Prozesse, die dadurch zustandekommen, dass in ihnen zwei entgegengesetzte Dynamiken in Relation miteinander treten. Die bekannteste ist die Modalität der „Möglichkeit“, die als Beziehung der Bewegung zum „Nichts“ ( N ) im Verhältnis zur Bewegung als Identitätsbildung ( G ) verstanden werden kann. Eine bekannte andere Variante ist die „Dialektik“. In ihr müssen die benötigten Gegensätze nicht derart extrem und abstrakt sein wie in der mathematisch-logischen Form, welche das „Nichts“, die „Identität“ und die „Möglichkeit“ darstellt.
Mit der Breite der denkbaren Varianten des Modells „N/G“ geht eine Konkretisierung und Zunahme der „Inhalte“ einher. Das wird als I/E dargestellt. Bevor aber schließlich am Ende wiederum sich in der gleichen Manier die zwei extremsten inhaltlichen Größen – nämlich E und I kontrovers gegenüber stehen, die Relation I – E bilden, kann sich in allen konkreten „Gegensätzen“ methodischer oder inhaltlicher Art diese Form der dialektischen Aufhebung bilden.
Der überkommene Grundgedanke einer „dialektischen“ Basis in allen konkreten Verhältnissen – und so auch in den wissenschaftlichen und philosophischen Methoden – wird also von uns um die Relation „ I/E“ , der spezifischen und allgemeinen Beziehungen der I-Sphäre zur E-Sphäre erweitert.
Insbesondere wenden wir das hier auf den Zusammenhang von menschlicher Emotionalität und Ästhetik an. Die menschliche Subjektivität und da vor allem der Gefühlsbereich ist methodisch durch N/G-Methoden und von seinen Inhalten durch I/E gut zu modellieren. Der Übergang und der Zusammenhang zwischen den emotionalen und ästhetischen Phänomenen ist dann durch die ihnen gemeinsamen Modelle N/G und I/E gegeben.
Wenn wir jetzt zurück zur ästhetischen Grundproblematik kommen, dann sei das durch eine historisch wichtige Erkenntnis zur Kunsttheorie belegt. Seit Aristoteles gilt die Erkenntnis, dass die Künste „sittliche Gefühle“ wachrufen. Der ethische Aspekt wird von I belegt. Die Breite der mit der Ästhetik verbundenen E als gegebene Affekte, Emotionen machen die inhaltliche Ausdifferenzierung der als I/E abgekürzten Form aus. Ob nun beider Zusammenhang als „Nachbildung“, Mimesis menschlicher Gefühle oder anders beschreibbar ist, sei dahingestellt. Uns kommt es auf die Übergänge und systematischen Zusammenhänge zwischen emotionalen, „sinnlichen“, ethischen und ästhetischen Bereichen und deren Wissenschaften an.
Wie beeinflussen die E-Entwicklungen das ästhetische I/E-Verhältnis? Die Möglichkeiten technischer Kunstreproduktion und der Handel von Kunstwerken als Waren verändern die Rezeptionsbedingungen von Kunst, indem sehr viel mehr Menschen sehr viel mehr Kunstwerke kennen lernen. Das ist eine Konsequenz aus der quantitativen Entwicklung der E-Seite. Die I- und I/E-Wirkung ist der eigentliche Kritik- und Streitpunkt hier. Durch das Übergewicht der E-Seite können die I vernachlässigt werden , die individuelle Erfahrung mit den I-Funktionen des Kunstwerks wird geringer – wie finde ich meine Ii dort wieder? Die Verschiebung von individueller Rezeption zum kollektiven Genuss von Werken hebt gemeinsame I hervor sowie die dazu passenden E-Strukturen. Es geht also nicht um einen allgemein so zu nennenden „Verfallsprozess“ der Kunst, sondern um eine von der Entwicklung der E-Seite durchaus auch unterstützte Ausdifferenzierung der I-Möglichkeiten und dadurch um eine qualitatve sich ständig vergrößernde Abstufung der durch Kunst vermittelbaren Erfahrungen und Hoffnungen.
Mit der für den ästhetischen Bereich besonders wichtigen Hervorhebung der I-Seite wird Kunst in dem Maße in Gesellschaften wichtiger wie deren E-Entwicklung erfolgreich ist.
Die daherrührende Entfaltung der I-Seite ist eine der Quantitäten und zugleich eine der qualitativen Bestimmungen. In solchen Gesellschaften gibt es daher von der I-Seite her eine prinzipiell unüberschaubare Fülle von ästhetischen Einstellungen. Die außerordentlich starke Entwicklung materieller Medien mit großen Einwirkungsmöglichkeiten als Möglichkeit der Objektivierung künstlerischer Vorstellungen wächst zudem mit der technologischen Entwicklung der E-Seite.
Es bleibt daneben die Eigenart der ästhetischen Bereiche, dass alle E-Phasen der historischen Vergangenheit als Basis künstlerischer Ideen grundsätzlich erhalten werden. Die I sind prinzipiell eher veränderlich, die E-Seite sorgt aber dafür, dass Kunstwerke jeder Art, ob volksnahe oder nicht, ob nationale oder globale, im gemeinsamen Bewusstsein und in ihrer konkreten Form erhalten bleiben.
Mit der Zunahme der Einwirkungsfreiheiten ergibt sich auch eine Zunahme kulturpolitischer Einflussnahme. Den Ii und Ik werden mögliche Ig entgegengehalten oder zur Seite gestellt. Für alle Gesellschaften sind die Künste ein unentbehrliches Mittel, politische, ideologische Ziele ( Ig ) in gesellschaftliche Diskurse einzubringen, dort wirken und bewerten zu lassen.
In welcher Weise wirken ästhetische Ansprüche hierbei verändernd auf die gesellschaftliche Realität? Hat im sachlichen und im historischen Ablauf die Entwicklung der E-Seite in der I/E-Relation ihre Spuren hinterlassen, so wirken gerade die I auf gesellschaftliche Horizonte. Selbst noch Kunstwerke untergegangener historischer Formationen wirken durch die an deren E-Seite gebundenen Zielsetzungen und Wertkriterien ( I/E ) in der Gegenwart. Wie ist die Möglichkeit und Notwendigkeit der Fortwirkung künstlerischer Produktionen vergangener Epochen zu verstehen? Die damaligen Zielsetzungen, die den Kunstwerken inhärent waren, sind verwirklicht und gesellschaftlich anerkannt worden. Sie sind als Erbe deshalb erhalten geblieben, weil es zu den Strukturzügen der I-Sphäre gehört, dass alle I erhalten bleiben, sobald sie einmal historisch verwirklicht wurden, das heißt, sobald es E-Konstellationen gab, die die Verwirklichung dieser I möglich machten, in den Kanon sozialpsychologischer Selbstverständlichkeiten aufgenommen zu werden, wie zum Beispiel die abstrakte Zielsetzung nach „Gleichheit“ der Menschen, oder sogar „materiell“ verwirklicht zu werden, wie zum Beispiel die literarisch vermittelte Hoffnung auf ausreichende Ernährung, so sie in der heutigen Industriegesellschaft erfüllt ist. Durch derartige Erfüllungen von mehr oder weniger offen in künstlerischen Werken vermittelten kollektiven Wünschen nehmen diese I und damit die Kunstwerke, also die I/E, den E-Charakter an, und das heißt, dass die Kunstwerke – beispielsweise literarische Werke – jener gesellschaftlichen Einstellung unterstellt werden, unveränderbar bleiben zu müssen, wobei es zur Entfremdung, zu Fetischisierungserscheinungen kommen kann, wenn die anfänglichen I zu wenig berücksichtigt werden oder vergessen gehen.