Um die Bereiche, die von den Naturwissenschaften bearbeitet werden mit denen der Kulturwissenschaften in diesem Sinne zu vereinen, postuliere ich eine durchgehende Entwicklung von der Basis der Physik bis zu den Bereichen der Kultur und bis zur „abstrakten Begrifflichkeit“.
Auf diesem Entwicklungsband sind „Phasen“ zu benennen, die als die Bereiche der Einzelwissenschaften gelten sollen. Die Abgrenzung dieser Phasen voneinander sind wissenschaftlich und philosophisch problematisch. Es sind das zum Beispiel der Übergang von der Anorganik zu den Lebenserscheinungen und der Übergang von den Mechanismen des Gehirnorgans zu den Prinzipien der Begrifflichkeit. Es ist aber beispielsweise auch der Übergang von der subjektiven Emotionalität zu objektiv-geistigen Bereichen wie dem der Mathematik.
Das Verhältnis der Entwicklungsphasen zueinander wird nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass es eine einsinnige Richtung zur Höherentwicklung zwischen ihnen gibt. Vielmehr wird „zugleich“ jede Phase der Entwicklung von allen anderen Phasen beeinflusst. Es ist danach grundsätzlich richtig, dass beispielsweise die Gesetze der Quantenphysik bei der Erzeugung der Begriffe im Hirnorgan eine Rolle spielen; wenn auch bisher unklar blieb, wie das genauer zu beschreiben sei.
Und umgekehrt haben die höher entwickelten Phasen Beziehungen zu allen niederen Phasen. Insbesonders ist die „Reflexion“ jenes Verfahren, das von der am höhst entwickelten Phase des abstrakten Denkens her, alle anderen niederen Phasen bestimmen, nämlich „erkennen“ kann.
Festzuhalten ist also, es gibt zwei Vorgänge, die Entwicklung „von unten“, welche zuerst die der Natur ist, die sodann die historische Entwicklung und die der menschlichen Subjektivität darstellt. Man kann sie als einen Halbkreis symbolisieren. Der ergänzende andere Halbkreis lässt von den Positionen der subjektiven und objektiven Begrifflichkeit her alle Phasen „von oben“ erfassen.
Der erstere Halbkreis ist mit dem gleichzusetzen, was als materielle und inhaltliche Seite einer Sache gemeint ist, der andere Halbkreis meint die „formale“ Seite.
Vor allem geht es nun darum, „Erste Physik“ auf diese Weise formal, abstrakt-begrifflich zu erfassen, und zwar so, dass alle Elemente und Funktionen der abstraktesten Begrifflichkeit vollständig mit allen Tatsachen der physikalischen Basis übereinstimmen. Dieser „ große Kreis“ ist dann geschlossen, wenn die Entwicklung der Natur und dann die der Kultur mit den elementaren Tatsachen der Ersten Physik zu verbinden sind.
In der späteren Erläuterung dieser „allgemeinen Entwicklung“ werde ich zeigen, wie die philosophische Problematik der Differenz zwischen den beiden Grundverfahren („Halbkreisen“ ) und die Unterscheidung der einzelnen „Phasen“ vielleicht bewältigt werden kann. Es wird darum gehen, wie sich im Laufe der Entwicklung einerseits die Strukturen der Bereiche, der Phasen zwar erhalten, aber andererseits gleichzeitig verändern.
Erst die untrennbare Einheit dieser beiden Grundverfahren, bei der jedes Seiende, jede Phase der Entwicklung zugleich „Form“ und Inhalt ist, kann in sinnvoller Weise deren methodische Erarbeitung erfolgen. Auch die Fülle der wissenschaftlichen und alltäglichen Methoden lassen sich auf die beiden Grundverfahren reduzieren.
Selbst innerhalb solcher Phasen wie zum Beispiel im Bereich des „objektiven Geistes“ – des rationalen oder des mathematischen Denkens – gibt es diese Zweiteilung. Was man an der Dualität „Induktion-Deduktion“ zeigen kann: Das Induktionsverfahren, welches von den Erscheinungen der Erfahrung her zu allgemeinen Urteilen kommen will, versucht noch Verbindung zu vor-geistigen Phasen zu halten, wird also „von unten“ gestützt. – Was eigentlich deshalb nicht gelingt, weil der Bereich des „objektiven Geistes“ dabei verlassen wird. Die „deduktive Methode“, welche die Erscheinung letztlich nur aus dem Begrifflichen ableitet, stellt dagegen den vom Abstrakteren herkommenden „Halbkreis“ dar, mit dessen Hilfe eine “Wahrheit“ vollständig und hinreichend erzeugt werden soll.
War es bisher meist so, dass man das eine oder aber das andere Verfahren als ruhenden Pol der Erkenntnis wählte, so werden beide als „großer Kreis“ derart vereint, dass erst die Entwicklung, die untrennbar mit der abstraktesten Begrifflichkeit verbunden ist, eine tatsächlich „wahre“ Erkenntnis erlaubt.
Von Kant und Hegel bis zur heutigen Wissenschaftstheorie wird die Lücke zwischen Deduktion und Induktion deshalb relativ leicht geschlossen, weil man versucht, das Induktionsverfahren allein aus dem Bereich des objektiven Geistes zu begründen. Die Überwindung der Kluft zwischen abstrakter Begrifflichkeit und Entwicklung, „Erfahrung“ kann aber auf diese Weise nicht gelingen, dass man wie seit Kant dies Problem im „denkenden Ich als Vermittlungsinstanz“ versteckt. Oder es wie bei Hegel nicht einmal mehr als eine Frage der synthetischen Leistung des Verstandes sieht, sondern, sich gänzlich nur auf den Bereich des absoluten Geistes zurück ziehend, es als eine Frage „der Bewegung der Begriffe allein“ bestimmt..
Wir haben uns dem Problem zu stellen, warum die Begriffe und die methodischen Verfahren des induktiven und des deduktiven Schließens derart widersprüchlich konstituiert sind und dennoch als eine Einheit gefasst werden können
Ein anderes Beispiel, das stellvertretend für die Struktur der „Entwicklung“ und für den Bezug aller „Phasen“ zueinander stehen kann,.ist das Verhältnis der beiden Phasen „individuelle Subjektivität“ und „objektiver Geist“. Die Begriffe dessen, was als Seiendes zusammengefasst werden kann, setzen nicht nur als solche eine hohe Abstraktion – den objektiven Geist – voraus, sie sind auch immer schon in bestimmter Weise subjektiv „verstandene“ und ausgelegte Begriffe. Die philosophische Reflexion sollte daher nie unmittelbar nur beim Seienden ansetzen, sondern sie wird versuchen, ein „Verständnis“ des Seienden, das von einem Kontext weniger abstrakter Begriffe bestimmt ist, zu reflektieren.